Nach Kriegsende 1945 wurden von den tschechoslowakischen Behörden in Jägerndorf 3 Lager eingerichtet. Dorthin wurden die Deutschen aus der Stadt und den Kreisgemeinden hineingetrieben und interniert.
Die Anordnung zur Vertreibung kam wenige Stunden zuvor. Das Haus musste geputzt sein, die Betten frisch überzogen und die Wertsachen (Geld, Schmuck, Sparkassenbücher usw.) auf dem Tisch liegen. Zuwiederhandlungen wurden mit dem sofortigen Tod bestraft. Mit nur 30 Kilo Gepäck und 100 Reichsmark wurden sie zum Bahnhof gejagt. Aufgrund von nachträglichen Kontrollen blieben nicht mal mehr 30 Kilo und die vollständigen 100 Reichsmark übrig.
Wer dies nach den Drangsalierungen, Misshandlungen und Vergewaltigungen überlebte, viele Deutsche wurden einfach ermordet, wurde dann in Viehwaggons verfrachtet. Der Zug fuhr machmal tagelang, ohne dass jemand aussteigen konnte, oft ging das Essen aus. Nicht selten wurden die Züge von Banditen überfallen und die Leute ihrer letzten Habseligkeiten auch noch beraubt bis die Züge im Westen ankamen. Es soll uns niemand sagen, dass es nach dem Krieg zu spontanen Racheaktionen gekommen ist.
Und so ging es Millionen anderen Sudetendeutschen auch. Die Vertreibung der Sudetendeutschen war ein eiskalt geplantes und durchgeführtes Nachkriegsverbrechen.
Bild links: Oben die doppeltürmige Burgbergkirche, links die Liechtensteinwarte, rechts die Kolonie Marienfeld
Am Abhang unterhalb der Burgbergkirche das Burgberglager, errichtet 1939 als RAD-Lager
1945-1946 tschechisches Konzentrations-und Arbeitslager
1946-1949 tschechisches Vertreibungslager
Nach den abgemachten Vereinbarungen zwischen den Vereinigten Nationen werden Sie und Ihre Familienangehörigen nach Deutschland evakuiert und zwar in den von der amerikanischen Armee besetzten Streifen. Aus diesem Grunde wird für Sie angeordnet: Nach Erhalt dieser schriftlichen Anordnung bereiten Sie sich sofort zur Evakuierung vor.
Mit sich müssen, bzw. können Sie nehmen:
Jägerndorfer Elends-Todesmarsch nach Grulich vom 22.6 bis 28.6.1945
Organisiert durch Tschechen für 3000 Jägerndorfer. 300 Personen starben durch Gewalteinwirkung und den Entbehrungen.
Jägerndorf 22. Juni 1945 - Würbenthal 22.6. - Freiwaldau 23.6. - Weigelsdorf 24.6 - Mährisch Altstadt 25.6. - Grulich 28.6.
Am 4. Juli Abreise in Grulich in offenen Eisenbahnwaggons bis Teplitz-Schönau
6. Juli 1945 per Fußtreck nach Geising/Zinnwald in Sachsen
Unser Gedenken gilt den tausenden Opfern die beim Elendsmarsch und in den 4 Jägerndorfer Lagern Burgberglager - Lager Troppauer Straße - Türmitzlager - Mösniglager durch tschechische Gewalteinwirkung sterben mussten!
Freundeskreis Ansbach Jägerndorf/gestiftet von Dr. Heinz Blaschke
Nach dem die tschechischen Behörden in Jägerndorf die Deutschen völlig entrechtet haben und die Stadt und Kreis fast "Deutschenfrei" gemacht wurde, schildert der tschechische Hochw. Herr Dekan Johann Jedlicka im folgenden Brief an Herrn Oberlehrer Wilhelm Ertel aus Jägerndorf - Komeise, der durch die Heimatvertreibung nach Burgkirchen/Alz, Landkreis Altötting, Oberbayern angesiedel wurde, die Situation.
Albrechtice u Krnova, námésti Dr. Benese 23, 12.X.1946.
Sehr geehrter Herr Oberlehrer Ertel!
Zürnen Sie mir nicht allzu sehr, daß ich auf Ihr wertes Schreiben erst jetzt antworte. Die gewünschte Bestätigung wurde gleich ausgestellt.
Seit unserem letzten Beisammensein hat sich allerdings vieles, ja vieles geändert. Dass die Sache nicht gut ausgehen wird, habe ich immer geahnt, aber dass das Ende so aussehen wird, das habe ich nicht vermutet. Es kommt einem alles vor wie ein böser Traum. An dem Orte, wo man durch 35 Jahre gewirkt hat, ist man ein Fremdling geworden. Andere Gesichter sieht man in den Gassen, andere Laute tönen in den Ohren. Die Stadt selbst hat ein anderes Aussehen erhalten. Manche Häuser wurden geschleift, die Namen der Gassen geändert, die Ämter vielfach verlegt, so dass man sich kaum auskennt und dort zurechtfindet, wo man ganz heimisch gewesen. Auch Komeise hat sich ziemlich geändert. Die Häuser in der Nähe der Schule sind vom Erdboden verschwunden. Die Schule selbst ist wieder in Ordnung u. es wird darin schon seit längerer Zeit unterrichtet. Von den einstigen Bewohnern ist niemand mehr an Ort und Stelle, weder hüben noch drüben. Pfarrer Klose wurde auch ausgesiedelt. Wo er weilt, ist mir nicht bekannt, da er sich jetzt noch nicht gemeldet hat. P. Barton ist in Gross-Ottersleben bei Magdeburg,Mühlenweg 2/3, Provinz Sachsen (19), Deutschland, Russische Zone.
Familie Fuchs hat sich längere Zeit teils in Kronsdorf, teils in Jägerndorf aufgehalten. Als sich Hans und Leo meldeten ist sie deren Ruf gefolgt. Ihr derzeitiger Aufenthaltsort ist mir nicht bekannt. Es ist so schwer mit den ehemaligen Bekannten in Fühlung zu bleiben. Ich selbst bin auch nicht mehr in Jägerndorf.
Es fiel mehr sehr schwer, mich in die veränderten Verhältnisse hineinzuleben. Und da ich nun sah, dass ein erspriessliches Wirken für mich beinahe ausgeschlossen ist, die Verhältnisse im Hause sich auch sehr unerquicklich gestalteten, da zog ich mich in den Schmollwinkel zurück und lebe nun als abgesägter Pfarrer in Stadt Olbersdorf, (Albrechtice u Krnova) in Pension und mache mich einwenig bei den Schwestern und in deren Krankenhause nützlich, so gut es eben geht. So schwinden die Tage dahin in steter Hoffnung auf ruhige geordnete Verhältnisse, in denen es keinen Hass mehr gibt, sondern Besonnenheit und ein wenig Liebe. Gott gebe es, dass diese Zeit bald anbricht!
Inzwischen entbietet Ihnen, Frau Gemahlin u. der ganzen Familie die besten Grüße
Ihr Johann Jedlicka, Pfarrer i. R.
Literatur zur Austreibung der Deutschen aus der Stadt Jägerndorf und den Kreisgemeinden:
Bolter-Schwella Eleonore, Jägerndorf:
"Mutti, sind Deutsche schlechter als andere Menschen? 50 Jahre nach der Vertreibung aus Jägerndorf"
Dorda Maria Beyer, Josef, Jägerndorf:
"Stadt Jägerndorf bis 1945"
Hertrich Brunhilde, Röwersdorf:
"Fort von daheim - Meine Geschichte der Vertreibung"
Dr. Muschka Wilhelm, Röwersdorf:
"Der Legionär - Ein deutsch-tschechischer Konflikt von Masaryk bis Havel"
Ott Erwin, Jägerndorf:
"Die Gefesselten - Sudetendeutsches Schicksal 1944 - 1946"
Scharbert Josef, Rausen:
"-Fürchte Dich nicht! Ich bin bei Dir- Rückblick eines Theologieprofessors auf seine Jugend in chaotischer Zeit"
"-Mit Gott deutsch reden- Der Dialog zwischen Mensch und Gott in der Bibel in Bezug zur Vertreibung"
Tutsch Erich, Jägerndorf:
"Die Sudetendeutschen - geschichtliche Wahrheit - zeitgenössische Fälschung"